Halbzeit

» gepostet am Datum28.03.07 um Zeit13:06 Uhr

Foul! Freistoß! Wildes, kritisches Gemurmel auf Twi und Pidgin English. Die Wiederholung bringt Klarheit: Der Freistoß ist gerechtfertigt, Einsicht und Verständnis, die Diskussionen verebben. Es ist gerade die zweite Halbzeit im Spiel Ghana - Brasilien angebrochen, mindestens 40 Ghanaer, Kinder, Jugendliche wie Erwachsene stehen und sitzen im Halbkreis um einen einzigen Fernseher herum, der auf einem kleinen Tischchen vor einem "Communication Center" steht, ein Communication Center ist eine Bretterbude, in der man telefonieren und Telefonkarten kaufen kann. Wenn auch sonst hier nichts so ist wie zuhause, Fußball gucken ist doch irgendwo überall gleich. Da werden sogar die zwei Weißen, die sich unter die Zuschauermasse gemischt haben, kaum bemerkt. Nach dem Spiel leider keine gute Stimmung: Ghana hat 0 zu 1 verloren. Dabei hätte ich so gerne einen Tro-Tro-Corso gesehen.

Inzwischen ist Halbzeit. Allerdings nicht beim Fußball, sondern bei meinem Aufenthalt hier. Sechs Wochen bin ich schon hier, sechs Wochen werde ich noch bleiben, muss darin noch irgendwie eine Woche Umherreisen unterbringen, was bei meine organisatorischen Fähigkeiten aber sicherlich überhaupt kein Problem darstellen sollte.

Eigentlich sind sie wie im Flug vergangen, die sechs Wochen. Und doch kommt es mir vor, als seien die ersten Ausflüge nach Cape Coast und Ada Foah Jahre her. Viel erlebt, viel gelernt. Dass ein Eimer Wasser zum Duschen völlig ausreicht. Dass es auch mal ohne Strom geht. Dass eine halbe Stunde Verspätung eigentlich vollkommen akzeptabel ist. Dass Deutschland das beste Land der Welt ist. Dass Schweißränder auf Hemdkrägen eine Erfindung des Teufels sind. Dass wir zuhause eine Essensvielfalt haben, die eigentlich kaum jemand ausschöpfen kann. Dass ich mein Heimatland eigentlich kaum kenne. Dass man auch mal mit dem zufrieden sein sollte, was man hat, und wenn das nur Essen, Trinken und ein Platz zum Schlafen ist; auch wenn ich das selbst auch nicht immer bin. Dass es neben der Lebensweise, wie ich sie in Deutschland und Europa kennen gelernt habe, noch einige völlig andere gibt. Dass man sich eigentlich an alles irgendwann gewöhnt.

Ich freue mich auf zuhause. Auf Komfort und Technik und leckeres Essen. Und überhaupt. Auch wenn ich Ghana vermutlich ebenso sehr vermissen werde. Und wahrscheinlich auch wiederkommen werde, wenn sich die Gelegenheit ergibt. Zumindest hab ich schon mehrfach versichert bekommen, dass Unterkunft überhaupt kein Problem wäre. Bei Emile im Haus. Bei Italy im Flur. Oder einfach im Newsroom des Enquirer.

Der Tag hat gerade erst begonnen. Ich werde mich nun mit Traveller Cheques, Reisepass-Kopie und der Hoffnung, dass ebenselbe Kopie zum Einlösen reicht, auf den Weg zur Barclays Bank am Circle machen. Anschließend gehts per Tro-Tro an den Kokrobite-Strand, wobei hinter diesem Vorhaben hauptsächlich das Verlangen nach italienischem Essen steht, anschließend samt Visakarte in den Koalamarkt in Osu. Abends mal wieder ins Oldtimers. Morgen? Tja. Morgen ist schließlich der erste Tag vom Rest meines Aufenthalts. Mal sehen, was kommt.

Um nochmal kurz aufs Essen einzugehen: Es ist eigentlich ein Problem, hier satt zu werden, ganz im Gegenteil. Das Problem liegt eher in der mangelnden Vielfalt. Es gibt so circa 15 Hauptgerichte. Wenn man davon nun sieben nicht mag, sieht es schon echt eng aus. Da gäbe es Red-Red, Plain Rice, Fried Rice, Chicken, Fish, Jollof Rice, Wakye, Fufu, Banku, Okro Soup, Light Soup, Stew, Pepper Stew, Okra Stew. Wobei hiervon die Hälfte nur Saucen sind. Und jetzt muss man ja zweimal am Tag was essen. Was man von daheim so alles vermissen könnte? Nun…

  • Maultaschen mit Ei überbacken und kleiner Salat
  • Käsespätzle mit Zwiebeln, kleiner Salat
  • Schweinerückensteak mit Kräuterbutter und Pommes
  • Wiener Schnitzel mit Zitrone, Pommes und Mayo
  • Schweizer Wurstsalat mit Bratkartoffeln
  • BigKing XXL MaxiMenü mit Cola, Pommes und Mayo
  • Rösti mit Quark und kleinem Salat
  • Nudel-Schinken-Auflauf von Knorr
  • Döner/Yufka mit Ayran
  • Tuna-, Chicken Fajita oder Steak & Cheese-Subway
  • Gebratenes Rindfleisch mit Zwiebeln in Soja-Sauce, davor Frühlingsrolle vom Chinesen (Nummer M6)
  • Tortellini alla Panna
  • Pizza Capriciosa
  • Spaghetti Carbonara
  • BigMäc MaxiMenü mit Cola, Pommes, Mayo und Extra-Cheeseburger
  • Linsen mit Würstchen und Spätzle
  • Richtiges Eis, vor allem Walnuss, Haselnuss, Pfefferminz
  • Getoastetes Toastbrot mit Butter und Nutella
  • Vernünftige Marmelade
  • Paul Newman (Burger mit Pommes/Kartoffelecken, Krautsalat und Ketchup) vom Palm Beach
  • Rumpsteak mit Zwiebeln und Pommes/Spätzle
  • Italienischer Salat mit Joghurtdressing, Käse und Schinken
  • Lasagne mit kleinem Salat
  • Apfelkuchen/Linzer Torte/Marmor-/Nusskuchen
  • Schweinerückensteak mit Pilz-Rahm-Sauce und Spätzle
  • Butterbrezel
  • Chili con Carne mit Nudeln oder Spätzle, kleiner Salat
  • Bratwurst mit Senf im Brötchen/Currywurst
  • Kartoffelsalat mit sauren Gurken
Ursprünglich hab ich gedacht, in Afrika nimmt man bestimmt unheimlich ab. Leider ist das Essen hier auch wahnsinnig fettig, eine Portion ist beinahe größer als bei uns und eine Hauptmahlzeit kostet gerade mal einen Euro. Das ist etwa so, wie wenn zuhause der Burger King direkt gegenüber liegt, das Whopper-Maxi-Menü einen Euro kostet und alles vorher nochmal in Bratenfettgetaucht wird. Und wenn ich dann heimkomme, muss ich ja erstmal wieder die ganzen leckeren Sachen essen, die ich hier nicht habe. Echt. Ein Glück gibts hier nirgends eine Waage.





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